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Herr Lindner, 72, ist selbständiger Architekt. Nach einem Schlaganfall, den er vor drei Jahren, wenige Monate nach dem Tod seiner Frau, erlitten hatte, hat er sich weitgehend aus dem Berufsleben zurückgezogen. Mittlerweile vollständig genesen, verwaltet er jetzt seine Immobilien.

Seine Töchter Eva und Simone haben die krebskranke Mutter vor deren Tod und nach dem Schlaganfall auch ihren Vater gepflegt. Den weitaus größeren Anteil an dieser Last hat die Ältere, Eva, getragen.

Die Töchter haben nach dem Tod der Mutter, die kein Testament hinterlassen hat, stillschweigend darauf verzichtet, Erbansprüche geltend zu machen.

Vor diesem Hintergrund sind die persönlichen Beziehungen innerhalb der Familie zunehmend geprägt durch unterschwellige und teilweise auch offen zutage tretende Spannungen. Der Vater ist einerseits dankbar für die von den Töchtern erfahrene Hilfe, er möchte sich andererseits als erfahrener Geschäftsmann nicht in seine autonomen Entscheidungsbefugnisse hineinreden lassen.

Die Töchter machen sich Sorgen über eine mögliche künftige Pflegebedürftigkeit des Vaters und möchten auch gerne die Frage des Erbes in ihren vielfältigen Aspekten gemeinsam mit dem Vater betrachten, ohne gleich schroff zurückgewiesen zu werden.

In dieser Situation schlägt Eva eine Mediation vor.

Die hier dokumentierte Mediation beruht nicht auf der Verknüpfung theoretisch und didaktisch sinnvoller fiktiver Versatzstücke. Sie folgt vielmehr in der Praxis erworbenen Erfahrungen und zeichnet die manchmal überraschenden Abläufe nach, die die Mediatorin im Verlaufe einer erfolgreich abgeschlossenen  Erbschaftsmediation initiiert und begleitet hat.

Inhaltsübersicht

SITZUNG I Teil 1
1. Phase I Eröffnungsphase
2. Zur Motivation der Mediatorin: Was kann mediative Arbeit leisten?
3. Herstellung von Transparenz: Wie ist es zu diesem ersten Termin gekommen?
4. Informationsstand der Mediatorin: Zusammenfassung des ersten Telefonkontakts
5. Hinweis zu Vertraulichkeit und Neutralität
6. Motive und Erwartungen der Medianden – Impuls zur Klärung:
7. Mediatorin macht sich ein Bild: Fragen zu den Biografien der Medianden
8. Umformulieren – ein verbaler Angriff wird zurückgeführt auf die dahinter liegende Sorge
9. Phase II Themen sammeln: Was soll besprochen werden?
10. Wie werden die Themen für die Flipchart erarbeitet und notiert?
11. Was tun bei gegenseitigem Unterbrechen?
12. Mit Widerständen umgehen
13. Reframing: vom Vorwurf zur Äußerung von Befürchtungen,
Unterschiede stehen lassen, normalisieren
14. Was tun, wenn ein Mediand kein eigenes Thema nennt?

SITZUNG I Teil 2
1. Formulieren eines gemeinsamen Themas
2. Inhaltliche Informationen zum gewählten Thema
3. Hinweis auf das Einbeziehen von Fachleuten
4. Konstruktiv zusammenfassen, Streit verhindern
5. Vorschlag von Einzelgesprächen
6. Einzelgespräch mit dem Vater
7. Einzelgespräch mit Eva
8. Einzelgespräch mit Simone
9. Was wird wiedergegeben, welche Unterstützung durch die Mediatorin wird gebraucht? …

SITZUNG II
1. Was ist zwischen den Mediationssitzungen geschehen?
2. Vater hat den Töchtern größere Summe überwiesen.
Welche Bedeutung hat dies für die heutige Sitzung?
3. Überleitung zu Phase III Interessen
4. Simone nennt ihre Interessen
5. Wie formuliert die Mediatorin Interessen an der Flipchart?
6. Unterbrechung durch den Vater: Rechtfertigung und Angriff
7. Vater nennt Interessen
8. Eva nennt Interessen
9. Vertiefendes Nachfragen bei der Interessenarbeit. Welche Motive liegen Evas Interessen zugrunde?
10. Überleitung zu Phase IV Optionen bilden
11. Was geschieht mit den optionen? optionen auswählen
8 12. Diskussion zwischen Vater und Töchtern zum Thema Hausverwaltung
13. Mediatorin bietet Interpretation an zum besseren Verständnis des väterlichen Anliegens
14. Resumee und Frage: Wie empfinden Sie das bisher Erarbeitete?
15. Hinweis zur Bedeutung und zu verschiedenen Möglichkeiten der Rechtsberatung

SITZUNG III Teil 1 (Rechtsberatung)
1. Hinweis des Anwalts auf die Unterschiede zwischen
juristischem und mediativem Verfahren
2. Neues Thema für die Themenliste
3. Frage von Seiten der Medianden:
Wie kommt es zu einer abschließenden Vereinbarung?
4. Was hat die Rechtsberatung ausgelöst, sachlich wie emotional?
5. Erneute Klärung der Motivation für das mediative Verfahren, “neuer Auftrag

SITZUNG III Teil 2
1. Streit zwischen den Schwestern: Wer hat wieviel für die Eltern getan?
Wie interveniert die Mediatorin?
2. Vorschlag der Mediatorin, nur mit den Schwestern zu arbeiten
3. Methode der Buchführung. Abrechnung im Konflikt
4. Notieren der “Konten”. Wie werden die Aussagen formuliert?
5. Eva beginnt mit der Buchführung
6. Wechsel zu Simone
7. Wechsel in der Buchführung vom Minus ins Plus (Simone)
8. Positive Buchführung (Eva)
9. Mediatorin lässt bilanzieren und Konten reflektieren
10. Der Vater wird wieder mit einbezogen

SITZUNG III Teil 3
1. Weiterarbeit an den Optionen
2. Hinweis auf die Notwendigkeit, dass optionen konkret formuliert werden
3. “Fairnesskontrolle”: Ist Evas Anliegen ausreichend berücksichtigt?
4. Übergang zu PhASE V Verhandeln und Vereinbaren
5. Mediatorin achtet darauf, dass Vereinbarungen in der notwendigen Klarheit und präzise erfasst sind
6. Erneutes Nachfragen: Wie soll die Vereinbarung umgesetzt werden?
7. Wie kann Verbindlichkeit hergestellt werden?
8. Mediatorin hält Vereinbarung für 12 Monate an der Flipchart fest
9. Erinnerung an ein noch nicht bearbeitetes Thema:
Betreuung des Vaters im Bedarfsfall
10. Intervention: Mediatorin rät, das Thema ernst zu nehmen
11. Abschluss der Mediation

REFLEXION ZUM MEDIATIONSVERLAUF
Ein Gespräch zwischen der Mediatorin und dem beratenden Anwalt